Starke Dynamik über ein ganzes Jahrzehnt – Bedeutung mit deutschem Markt vergleichbar
Deutschland minus, Italien plus – so lassen sich die Statistiken über den Beteiligungsmarkt in den beiden Ländern kurz und knapp zusammenfassen. Das gilt für die Entwicklung im zurückliegenden Jahr 2021, aber auch für die ersten sechs Monate des laufenden Jahres.
Um ein Fünftel ist die Summe der von Finanzinvestoren in Buy-outs deutscher Unternehmen investierten Mittel 2021 niedriger ausgefallen als 2020. Sogar die langfristigen Durchschnittswerte (fünf und zehn Jahre) wurden unterboten, und das in dem Jahr, das allenthalben von einem Nachholeffekt nach dem ersten Einbruch durch die Pandemie gekennzeichnet war. Lässt man das Segment der großen und besonders großen Buy-outs (mehr als 150 bzw. mehr als 300 Millionen Euro Eigenkapital-Investment), in dem die DBAG überwiegend nicht tätig ist, außer Acht, ergibt sich zwar ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 15 Prozent. Es zeigt sich dennoch ein anderes Bild als in Italien.
Dort wurde 2021 insgesamt rund ein Drittel mehr in Buy-outs investiert als ein Jahr zuvor. Auch die Zahl der Buy-outs erhöhte sich, die Summe der investierten Mittel übertraf anders als in Deutschland den langjährigen Durchschnitt. „Verbesserung gegenüber dem Vorjahr“, das gilt auch für das mittlere Marktsegment, in dem die Deutsche Beteiligungs AG mit den von ihr beratenen DBAG-Fonds seit 2020 auch in Italien investiert. In den vergangenen fünf Jahren wurden jährlich rund 2,2 Milliarden Euro in kleine und mittlere Buy-outs (bis 150 Millionen Euro Eigenkapitalanteil) italienischer Unternehmen investiert. Damit ist dieses Segment des PE-Marktes mit dem in Deutschland und seiner doppelt so großen Volkswirtschaft auf Augenhöhe: Hierzulande sind 2017 bis 2021 durchschnittlich 3,9 Milliarden Euro in Buy-outs dieses Segments geflossen.
Damit hat sich 2021 eine Entwicklung fortgesetzt, die schon in den vergangenen zehn Jahren zu beobachten war: Verglichen mit anderen bedeutenden PE-Märkten, verzeichnet Italien eine besondere Dynamik. Das wird an einer Analyse der italienischen LIUC Business School deutlich. Danach hat sich die Zahl der neuen Beteiligungen durch Finanzinvestoren in fünf europäischen Ländern zwischen 2012 und 2021 um insgesamt 90 Prozent erhöht; auf diese fünf Ländern entfallen rund 70 Prozent aller PE-Investitionen eines Jahres in Europa. Großbritannien, Frankreich und Spanien liegen unter dem 1,9-Fachen: Dort übertraf 2021 die Zahl der Beteiligungen durch Finanzinvestoren den Wert des Basisjahres 2012 lediglich um das 1,8-Fache (Großbritannien), 1,6-Fache (Frankreich) oder gar nur um das 1,3-Fache (Spanien). Deutschland mit dem 2,1-Fachen liegt über dem europäischen Durchschnitt. Im Vergleich verzeichnete jedoch Italien mit einer 2,8-Fachen höheren Zahl an PE-Investments mit Abstand das stärkste Wachstum.
Pessimismus in Deutschland – Kontinuität in Italien
Es scheint, als setze sich die jüngst unterschiedliche Entwicklung auch 2022 fort. Denn die Aussagen könnten kaum gegensätzlicher sein: „Private-Equity-Geschäftsklima kühlt sich weiter ab – Investoren deutlich pessimistischer“ lautet die Überschrift über das Ende August veröffentlichte German Private Equity Barometer für das zweite Quartal 2022. „Zehn Prozent mehr Transaktionen in Italien“ titelt hingegen das italienische Wirtschaftsblatt Milano Finanza Ende Juli einen Bericht über das Marktgeschehen im ersten Halbjahr.
In Deutschland erweisen sich die Debatte über einen Gaslieferstopp und die daraus möglichen Folgen als wirkmächtiger Treibsatz für Konjunktursorgen. Banken sind deutlich zurückhaltender mit Zusagen für Akquisitionsfinanzierungen. Unsichere Aussichten und knappere Finanzierungen – diese Umstände belasten die Stimmung und im Anschluss wohl auch das Transaktionsgeschehen auf dem Private-Equity-Markt. Allerdings: Auch wenn sich die Quantität des Dealflows in Deutschland im zweiten Quartal deutlich verschlechtert hat, so sind die sich bietenden Transaktionsmöglichkeiten von etwas besserer Qualität und auch die Einstiegsbewertungen sind attraktiver geworden. So jedenfalls die Einschätzung der PE-Manager, die vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) regelmäßig befragt werden. Alles in allem bewegen sich beide Indikatoren – Menge und Qualität – ungefähr in der Mitte ihrer jeweiligen historischen Hoch- und Tiefpunkte.
Der italienische PE-Markt zeigt sich gegenwärtig robuster als der deutsche. Der Private-Equity-Monitor-Index (PEM-i), den die italienische LIUC Business School seit 2003 berechnet und der die Private-Equity-Aktivität in Italien misst, hat sich im zweiten Quartal 2022 deutlich verbessert: Er rangiert zwar noch nicht wieder auf dem Stand per 31. Dezember 2021, der mit 975 Punkten das jüngste Rekordhoch markierte. Mit 800 Punkten hat er aber den dritthöchsten Stand der vergangenen vier Jahre erreicht.
„Private Equity ist in Italien en vogue“
Auch ein Blick auf die Zahl der tatsächlich vereinbarten Buy-outs zeigt, dass die Dynamik auf dem italienischen PE-Markt offenkundig anhält: Im ersten Halbjahr 2022 wurden den LIUC-Zahlen zufolge in Italien 98 PE-Investments getätigt, monatlich zwischen 14 und 19, drei Viertel davon waren Buy-outs. Im ganzen Jahr 2021 wurde 165 Transaktionen gezählt. „In Italien ist der Dealflow bisher ungebrochen“, berichtete im August Giovanni Revoltella. Er leitet als Partner und als Geschäftsführer der DBAG Italia das DBAG-Geschäft in Italien. Eines der aktuellen Buy-outs geht auf die DBAG zurück. Sie hat sich an der Seite des von ihr beratenen DBAG Fund VIII im Juni an MTWH beteiligt; die Unternehmensgruppe stellt Metallapplikationen für die Luxusgüter-Industrie her. „Private Equity ist in Italien gegenwärtig en vogue“, sagt Revoltella und verweist auf sichtbare Zeichen dafür: „Es gibt Verbesserungen im regulatorischen Umfeld, und neben Buy-outs rücken verstärkt auch Minderheitsbeteiligungen in den Fokus. Unternehmenszukäufe, die noch vor wenigen Jahren ein seltenes Ereignis in der italienischen M&A-Landschaft waren, machen inzwischen mehr als ein Drittel der PE-Transaktionen aus.“
Auch ein Blick auf die aktuellen ökonomischen Rahmendaten ergibt einen kleinen Vorteil für das Land im Süden: Die italienische Wirtschaft wächst – um ein Prozent stieg das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal. Deutschland musste sich mit 0,1 Prozent Zuwachs begnügen. Revoltella will all das nicht überbewerten: „Wir sind in einem langfristigen Geschäft tätig, und wir sind überzeugt, dass Italien viele Chancen auf erfolgreiche Beteiligungen bietet.“