Investoren erwarten Engagement
Das Meinungsspektrum bei diesem Thema ist sehr breit – das zeigt der FINANCE Midmarket-Private-Equity-Monitor, für den das Fachmagazin zusammen mit der Deutschen Beteiligungs AG (DBAG) die Investment-Manager von knapp 50 mittelständischen Private-Equity-Häusern anonym befragt hat.
Die Vielfalt beginnt schon bei der vermeintlich einfachen Frage, wie wichtig den Limited Partners (LPs) derzeit beim Fundraising ESG-Kriterien sind. Auf einer Skala von 1 (unwichtig) bis 10 (sehr wichtig) beantworteten die Investment-Manager diese Frage durchschnittlich mit dem Wert 6,7. Die Einzelantworten unterlagen dabei allerdings sehr großen Schwankungen – von 1 bis 10 war bei den Einzelantworten alles dabei. Ein Median von 7 legt dennoch die Vermutung nahe, dass die meisten LPs großen Wert auf ESG-Themen legen.
Auch bei der Frage danach, auf welchen ESG-Aspekt LPs derzeit den größten Wert legen, gibt es unterschiedliche Antworten. 23 Prozent sagen: Umwelt (Environment). 20 Prozent sagen: Unternehmensführung (Governance). Keiner dagegen sagt: Soziales (Social). Die Mehrheit – 57 Prozent – empfindet keinen Unterschied und gibt an, dass seinen LPs alle drei ESG-Kriterien gleich wichtig seien.
ESG-Zeugnis zeigt Verbesserungspotenzial für Private Equity
Das gestiegene ESG-Bewusstsein hat längst seinen Weg in die Unternehmens- und auch in die Corporate-Finance-Welt gefunden. ESG-linked Loans sind genauso im Trend wie die grüne Anleihe und der grüne Schuldschein. Warum gibt es noch keine grüne Unitranche? Ist der Leveraged-Finance-Sektor vor der grünen Revolution gefeit?
Die Ergebnisse des FINANCE Midmarket-Private-Equity-Monitors lassen zumindest vermuten, dass die Private-Equity-Branche ESG-Themen bisher eher stiefmütterlich behandelt. Zwar macht inzwischen fast jedes zweite befragte Private-Equity-Haus vor einem Deal eine separate ESG-Due-Diligence. Dabei dürfte es aber in erster Linie darum gehen, sich rechtlich abzusichern und im Nachgang böse ESG-Überraschungen zu vermeiden.
Eine echte ESG-Transformation in den Portfoliounternehmen scheinen nur die wenigsten Private-Equity-Häuser voranzutreiben. Lediglich 29 Prozent der befragten Investment-Manager gaben an, ESG-Themen nach dem Beteiligungsbeginn innerhalb eines 100-Tage-Plans anzugehen.
Ebenfalls nur 34 Prozent der Private-Equity-Investoren etablieren nach eigener Aussage in ihren Portfoliounternehmen ESG-Steuerungskennzahlen und lassen sich diese anschließend auch regelmäßig berichten. Und auch das Management der Unternehmen wird von den meisten Private-Equity-Equity-Investoren nicht wirklich ESG-incentiviert: Nur 11 Prozent gaben an, dass ESG-Steuerungskennzahlen die Vergütung des Unternehmens-Managements beeinflussen würden. Nach konsequenten ESG-Strategien klingt das nicht – im Gegenteil: Jeder Vierte Investment-Manager gab zu Protokoll, dass ESG überhaupt nicht in die eigenen Prozesse integriert sei.
„Branche stellt sich längst der gesellschaftlichen Verantwortung“
Doch diese Umfrageergebnisse sollte man differenziert betrachten, meint Torsten Grede, Sprecher des Vorstands der Deutschen Beteiligungs AG (DBAG): „ESG-Aspekte geraten durch die gesellschaftliche Diskussion jetzt zwar stärker in den Blick – aber vieles, was unter dieser Überschrift jetzt diskutiert wird, ist schon längst Bestandteil verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns“. Und weiter: „Für unser Unternehmen und unseren Investitionsprozess kann ich das jedenfalls guten Gewissens sagen.“
Auf den ersten Blick schränkt der ESG-Trend die Finanzinvestoren ein: 40 Prozent der Befragten gaben an, dass Transaktionen aufgrund von negativen ESG-Findings platzen können. Auch die Due Diligence wird wegen ESG wesentlich komplexer, glauben 31 Prozent. Jeder fünfte Investor beschwert sich zudem darüber, dass wegen ESG-Kriterien an und für sich lukrative Branchen nicht mehr investierbar seien. Knapp 30 Prozent vertreten aber auch die Meinung, dass das wachsende ESG-Bewusstsein die Investitionsentscheidungen überhaupt nicht beeinflussen würde.
Private Equity kann ESG-Chancen nutzen
Dabei bringt der ESG-Boom der Private-Equity-Branche auch Chancen – auch finanziell. Durch den Green-Finance-Boom werden bestimmte Branchen künftig vermutlich schwerer oder teurer an Kapital kommen. Private-Equity-Investoren wären also gut beraten, ESG-Strategien zu priorisieren, weil sie sich über kurz oder lang positiv auf die Refinanzierungsmöglichkeiten ihrer Portfoliounternehmen – und damit auf den Investor selbst – auswirken könnten.
Ausgerechnet ESG-Kriterien könnten zudem dazu beitragen, dass Private-Equity-Investoren künftig vielleicht wieder im größeren Stil Multiple-Arbitrage betreiben können. Die Idee dahinter: Wenn ein Investor beim Einstieg noch viele Ressourcen in die ESG-Transformation des Unternehmens stecken muss, verlangt er beim Kaufpreis einen ESG-Abschlag, den er dann nach erfolgreicher Transformation am Ende der Haltedauer beim Verkauf als Aufschlag fordern kann. Doch selbst wenn sich eine solche ESG-Arbitrage und damit der erhoffte Wettbewerbsvorteil zumindest kurzfristig nicht einstellen sollten, werden sich PE-Investoren ganz grundsätzlich die Frage stellen müssen, ob sie ohne eine ESG-Strategie schon sehr bald überhaupt noch wettbewerbsfähig sind.